Fregatte Bremen

First Of Class - First Class

Das Führungs- und Waffensystem

Unter den Bedingungen des modernen Seekrieges kommt bei der Auswahl von Waffensystemen der Forderung nach Reaktionsschnelligkeit und zügigem Informationsfluss besonders hohe Bedeutung zu. in unserem Operationsgebiet, das gekennzeichnet ist durch relativ engen Seeraum und kurze Anmarschiere, bei einer Vielzahl eigener und gegnerischer See- und Seeluftstreitkräfte, erfordert dies zusätzlich verzugslosen Austausch von Lageinformationen und Befehlen zwischen den Einheiten in See, den Seebefehlshabern und den Hauptquartieren an Land. Nur so ist es möglich, Angriffsoperationen schnell zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren.
Automatische Datenverarbeitungs- und Übertragungsanlagen an Bord und an Land haben diese Aufgaben zu übernehmen.
So stellt sich die taktische Forderung an das Führungssystem der Fregatte: Die Aufgabe eines bordgestützten Führungs- und Waffenleitsystems ist es, die Schiffsführung mit einem lückenlosen Lagebild zu versehen und sie in die Lage zu versetzen, aktuelle Situationen und deren kritische Veränderungen ständig zu beurteilensowie alle Waffen rechtzeitig, wirkungsvoll, koordiniert, mit geringem Personalaufwand und zentral einsetzen zu können. Das Führungssystem muß sowohl die taktische und navigatorisch sichere Handhabung des Schiffes gewährleisten.
Untergliedert man die Forderung in Aufgabenbereiche, so lassen sich folgende Teilaufgaben zusammenfassen:
- Lagebilderstellung und Lageerfassung
- Navigation und taktische Führung
- Waffenkoordination und Waffeneinsatz

Geräte und Waffen

Herzstück des Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWES) ist der frei programmierbare Digitalrechner AN-/UYK-7. Seine Verarbeitungsgeschwindigkeit und Kapazität ermöglichen - gesteuert durch das Einsatzprogramm - das verzugslose und umfassende zusammenwirken dr Informationsquellen und der Waffen, oder anders ausgedrückt, das Zusammenspiel von Sensoren und Effektoren.
Unter Sensoren sind hier zu verstehen
- das Luftraumradarrundumsuchgerät DA 08
- das kombinierte Radarantennensystem WM 25 mit einem Rundsuch- und Feuerleitsystem, das für Tieffliegerüberwachung geeignet ist,
- das Navigationsradar 3 RM 20,
- IFF-Abfragesysteme (Freund-Feind-Kennungsgeräte),
- das VESTA-Transponder-System zur Leitung und Identifizierung des Bordhubschraubers,
- der Elo-Aufklärungsempfänger der Eloka-Anlage FL 1800 S,
- das SONAR 80 (DSQS 21-BZ), ein neu entwickeltes Bugsonar, das besonders für Flachwassereinsatz geeignet ist, und
- die Fernmeldeanlage als Hilfsmittel, um die Informationen externer Quellen mit in das System einfließen zu lassen. So z.B. die Informationen des Bordhubschraubers, der, ausgerüstet mit einem Radargerät "Sea Spray" und dem Tauchsonargerät AN/AQS 18, die eigene Sensorreichweite verlängert, aber auch die Meldungen anderer Einheiten in See und der Befehlsstellen an Land, die das Lagebild ergänzen. Unterstützt wird diese Aufgabe durch das automatisierte Spruchbearbeitungs- und Verteilungssystem mit der NATO-Bezeichnung "Message Handling System" (MHS), mit dem die ankommenden Funksprüche direkt an bestimmte Nebenstellen des Schiffes optisch über Lesegeräte übermittelt werden. Empfänger der Fernmeldeanlage sorgen dafür, das die Information von Systemeinheiten und automatisierten Hauptquartieren in Realzeit über den Datenverbund LINK 11 empfangen werden.
Letztlich ist auch die "iIntegrierte Navigationsanlage" (INA) in die Sensorenaufstellung einzubeziehen, denn durch sie werden an die anderen untersysteme Informationen der Kompaß- und Fahrtmeßanlage sowie Positionsdaten von Deca, Satellitennavigation und Sonardoppleranlage zur Verfügung gestellt.
Die Effektoren sind hier zum besseren Verständnis noch einmal kurz zusammengestellt (im Artikel "Waffenausstattung" wird näher darauf eingegangen):
- das Schif/Schiff-Flugkörpersystem HARPOON,
- die Nahbereichsflugabwehranlage NATO-SEASPARROW,
- die Nächstbereichsflugabwehranlage Rolling Airframe Missiles (RAM),
- das 76mm-Geschütz OTO Melara,
- Ujagdtorpedos MK 46, die vom Bordhubschrauber SEA LYNX MK 88 oder vom Schiff aus eingesetzt werden,
Nächstbereichsdüppelwerfer Super Rapid Blooming Off-Board (SRBOC) und
- der aktive Störteil der EloKa- anläge FL 1800 S.
Die Überwasserwaffen werden durch den Feuerleitanteil der WM 25 bzw. der SEASPARROW durch die Feuerleitanlage STIR eingesetzt.
Düppelwerfer und Nächstbereichsflugkörper RAM erhalten die Einsatzdaten von der EloKa-Anlage FL 1800 S.

Führungs- und Waffeneinsatzprogramm

Die Komponente, die Sensoren, Effektoren, Rechner und Darstellung zu einem funktionierenden Ganzen zusammenbringt, ist das Führungs- und Waffeneinsatzprogramm (FüWEP). Es ermöglicht erst die taktische Nutzung des Systems.
Das Programm ist so aufgebaut, daß die manuellen Tätigkeiten des Bedieners, die sich laufend wiederholen, weitgehend eingeschränkt sind und er mehr eine Überwachungsfunktion übernimmt.
Das Programm schafft die Möglichkeit, das gesamte Spektrum der einzelnen Waffen aufeinander abgestimmt einzusetzen, und unterstützt dabei den Bediener durch Empfehlungen, wie Berechnungen einzelner Funktionsabläufe, Darstellung von Waffeneinsatzplänen und Bekämpfungsreichweiten.
Somit wird der Arbeitsanfall, der bei einer herkömmlichen Operationszentrale den zeitaufwendigen Gebrauch von Koppelspinnen, Fettstiften, Plottwänden, Vorschriften und Tabellen notwendigmacht, stark reduziert. Zu Verdeutlichung soll im folgenden auf die einzelnen Aufgabenbereiche eingegangen werden.

Lageerstellung und Lagedarstellung

Dieser Bereich umfasst das Sammeln und ständige Aufaddieren aller verführbaren Informationen und deren Umsetzung in ein leicht erfassbares Lagebild. Dieses Lagebild kann dann auf den Mehrzweckkonsolen der Führungsmittel- und Waffeneinsatzzentrale (FüWEZ) dargestellt werden.
Über die Zielechos der aktiven Sensoren wird ein synthetisches Bild aus Symbolen gelegt. Die Zielverfolgung geschieht entweder automatisch über Videoextraktoren oder manuell, wobei der Bediener die Radarechos mit einer beweglichen Meßmarke selbst laufend anmisst.
Bei der automatischen Zielverfolgung über die Videoextraktoren braucht das zu verfolgende Video lediglich nach der Entdeckung markiert werden. Danach ermittelt der Videoextraktor des jeweiligen Radargerätes durch das Bilden von Erwartungsfenstern die Positionsveränderung des Zieles, wobei die Zielbahn über einen interpolarisatinsprozeß geglättet wird.
Insgesamt können über 100 Ziele automatisch verfolgt werden. In der Aufbereitung des Lagebildes kommt es nun darauf an, diese Ziele zu identifizieren (Freund/Feind) und soweit möglich zusätzlich zu klassifizieren, d.h. Fahrzeugtyp oder gar Schiffsklasse zuzuordnen. Die dafür vorgesehenen Symbole werden nach Ermittlung bestimmter Kenndaten teilweise automatisch erzeugt. Der Betrachter des Lagebildes kann somit auf einen Blick Bedrohung und Kräfteverteilung erkennen.

Navigation und taktische Führung

Ist eine direkte Bedrohung erkannt, wird der Kommandant/Verbandsführer nun in seiner Entschlussfassung durch das Einsatzprogramm unterstützt. Berechnung von möglichen Gegenmaßnahmen, Ausweich- und Abfangkursen, Zeitpunkt des Eintretens in eine Torpedo Danger Area (TDA) sind nur einige Funktionen, die das Programm übernehmen kann.
Navigatorische Gesichtspunkte die das Vermeiden von untiefen oder das zeitgerechte Erreichen von Rendevous-Punkten werden durch Darstellung von besonderen Punkten, Gefährdungs- und Reichweitenkreisen zusätzlich in das Lagebild mit eingebracht.
Die Berechnung von Hubschraubermanövern unter Einbeziehung der Bodenwindwerte sowie Unterstützung der Landeoperation und Sonareinsatz erleichtern die Aufgabe der Leitung des Bordhubschraubers.
In der Aufgabe Konvoischutz unterstützt das Programm durch Berechnung und Darstellung von Sicherungssektoren.
Ist der Befehlshaber zum Entschluss gekommen, wie er der aufgetretenen Bedrohung begegnen will, sorgt das Datenübertragungssystem LINK 11 für verzugslose Übermittlung der Führungsbefehle an die anderen Systemeinheiten. Für die Übertragung an Nicht-Rechner-Einheiten wird das LINK 14-System eingeschaltet, das ausgewählte Informaltionen in Fernschreibform übermittelt.

Waffenkoordination und Waffeneinsatz

Beim Waffeneinsatz kommt es darauf an, während des Bekämpfungsablaufes die Reihenfolge der einzusetzenden Waffen optimal aufeinander abzustimmen. Das Programm übergibt Zieldaten und Aufschaltbefehle an die Feuerleit- und Waffenanlagen. Die Zielanweisung erfolgt durch Knopfdruck an der Konsole.
Die Feuerverteilung und Zielanweisung an andere Systemeinheiten Verband erfolgt durch LINK11-Befehle, die direkt im Lagebilddes LINK-Partners als Symbol erschienen.
In der Funktion Ujagd unterstützt das Programm durch laufende Berechnung von Einsatzdaten und deren Darstellung für den Torpedoeinsatz vom Bordhubschrauber, von Jagdflugzeugen oder vom eigenen Schiff. Dabei werden für den Torpedoeinsatz aus der Luft Angriffssektoren und Flugprofile des Jagdflugzeugs berechnet.
FueWEZ-klein
Bei der Bekämpfung von Luftzielen wird der besonderen Bedrohung durch spät erfassbare Flugkörper, die dicht über der Wasseroberfläche liegen (Seaskimmer), Rechnung getragen. Ermöglicht wird dies durch die Funktion "Automatisierte Bekämpfung". Nach Starten dieser Funktion über einen peziellen Schutzcode leitet das Programm die automatische Bekämpfung ohne Bedienereingriff ein. Der Bediener wird lediglich gewannt, kann jedoch diese Funktion jederzeit unterbrechen.
Dies soll die Vorstellung der Fähigkeiten des Führungs- und Waffeneinsatzprogramms abschließen.


Mit dem Führungs- und Waffeneinsatzsystem der Fregatte 122 wurde konsequent der Weg der Anwendung von Datenverarbeitungsanlagen an Bord fortgeführt, wie er mit dem Waffensystem Zerstörer 103 begonnen und mit dem Schnellboot 143 weiterverfolgt wurde.
Durch die verzugslose, umfassende Darstellung aller Informationen in Verbindung mit einer umfangreichen Unterstützung durch ds Einsatzprogramm ist ein System realisiert worden, das eine außergewöhnlich schnelle Entschlußfassung und damit eine Verkürzungder Reaktionszeiten zuläßt.
Das Führungs- und Waffeneinsatzsystem ist somit der entscheidende Baustein für Kampfkraft und Leistungsfähigkeit der Fregatte 122.
Ein Beitrag von Korvettenkapitän Thomas Kempf
Natural World RapidWeaver theme by ThemeFlood